Die Idee des Guten und der Sittlichkeit in Philosophie Hegels
Auf den ersten Blick mag es erscheinen,
als ginge es hier lediglich um ethische und moralische Fragen. Doch aufgrund
des spekulativen Charakters der Hegelschen Philosophie geht es tatsächlich um
mehr, und zwar um die Interpretation des menschlichen Wesens - der Freiheit -
und den Ort ihrer Verwirklichung, den Staat und die bürgerliche Gesellschaft. Hegels
philosophische Methode setzt voraus, dass der Staat auf Subjektivität beruht
und die Existenz entsprechender staatlicher Institutionen in dem Maße
garantiert, wie diese ihrerseits die Ausübung eines freien Selbstbewusstseins
gewährleisten.
Die Selbstverwirklichung des
Subjekts besteht darin, das Allgemeine mit dem Besonderen zu vermitteln und
damit die Trennung von Subjekt und Objekt zu überwinden. Die Form solcher
Verwirklichung ist die Idee des Guten, d.h. ein verwirklichter, vollendeter
Begriff. Die Idee des Guten soll die in der objektiven Realität offengelegten
einseitigen Bestimmungen negieren, die Stufen des abstrakten Rechts und der
Moralität in der Phänomenologie des Freiheitsbewusstseins zur Sittlichkeit
erheben. Die Sittlichkeit ist die Idee der verwirklichten Freiheit, des Guten.
Die Idee des Guten verwirklicht sich im reflektierten Willen und in der
objektiven Welt. Die Substanz der Freiheit stellt sich also als ein subjektiver
Wille dar, der sich in der Form der Wirklichkeit und der Notwendigkeit
manifestiert.
Der systematische Ort des
objektiven Geistes, die Sphäre des Rechts, in Hegels Philosophie ist nur im
Zusammenhang mit dem Begriff der Sittlichkeit zu erfassen. In §142 der Rechtsphilosophie
lesen wir: "Sittlichkeit ist die Idee der Freiheit". In Hegels
Darstellung kulminiert die Philosophie des Rechts insgesamt in der Sittlichkeit.
Sie enthält nach dem Prinzip der Permutation nicht nur die beiden
vorangegangenen Stufen, das abstrakte Recht und die Moralität, sondern auch die
Grundlage und Voraussetzung ihres voll verwirklichten Werts. Darin
unterscheidet sich Hegels spekulative Dialektik von anderen dialektischen
Systemen, denn sie verwirft nicht die voraausgegangenen Schritte und
Widersprüche, als seien diese schlicht überholt und somit nutzlos geworden,
sondern sie zeigt wie deren Einheit erst die Produktivität des Handelns und
Denkens, d.h. die Authentizität schafft.
Die Idee des Guten bestimmt
die Wirklichkeit des Rechts und dessen geistiges Wesen oder, wie Hegel selbst
sagt, sie bestimmt die Wirklichkeit des Staates. Die Thematisierung der Idee
des Guten in der Rechtsphilosophie zeigt also, dass die
Rechtsphilosophie, wie alle anderen Glieder des Hegelschen Systems, einerseits
systematisch von Hegels spekulativer Logik bestimmt ist, andererseits aber
zugleich selbst einen konstitutiven Bestandteil der Logik bildet.
Von daher versteht sich das Kongressthema in einem die Hegelsche Philosophie und ihre Aktualität umfassenden Sinn. Willkommen sind neben Beträgen, welche die Sektionsschwerpunkte im Brennpunkt der Rechtsphilosophie thematisieren, explizit auch solche, die einschlägige Aspekte von Hegels Logik, Phänomenologie des Geistes, Religions- und Geschichtsphilosophie sowie der Realphilosophie insgesamt für das Kongressthema fruchtbar machen.